In der Gegenwart gegenwärtig sein, im JETZT sein;
wer will das nicht?
suchen wir nach der Selbstverständlichkeit unseres Lebens …

In der Gegenwart gegenwärtig sein
Und was stellen wir uns darunter vor, wenn wir uns, als in der Gegenwart sein, erfahren möchten? Was soll da geschehen und wie soll sich das zeigen oder anfühlen? Was und wovon träumen wir? Was, wenn die Gegenwart gleich einem NICHTS wäre?
Doch genau das ist es, was Menschen, die sich mit Meditation und Bewusstsein beschäftigen, erwarten. Und grade auch junge und noch lebensunerfahrene Menschen sprechen mich immer häufiger darauf an und erzählen mir davon, dass sie in der Gegenwart leben wollen und dass sie diese anstreben möchten, und sich deshalb mit Meditation und Bewusstseinserweiterung beschäftigen. So weit, so gut. Doch sie gehen so weit Drogen einzunehmen, um so schneller in den Bereich des Bewusstseins vorzudringen, in dem der verheißungsvolle Zustand der Gegenwart auf sie zu warten scheint. Doch was dann? Was soll dann danach sein? Wie soll sich das Leben, ihr persönliches Dasein tagein, tagaus, dann anders als bisher darstellen? Welche Vorstellungen und Träumereien sind da vorhanden?
Und dann wird in diesem Zusammenhang, Gegenwart meist auch mit Erleuchtung erwähnt. Zwar ist man nicht mehr ganz so forsch unterwegs, was den Begriff der Erleuchtung angeht. Eher ist bei aller jugendlicher Arroganz auch etwas peinlich Zurückhaltendes zu erkennen. Da geht der Begriff der Gegenwart, sehr viel schneller mal über die Lippen. Vielleicht, weil Erleuchtung mit etwas Heiligem oder einem nicht für jeden erreichbaren Zustand in Verbindung steht. Hingegen die Gegenwart sicher einfacher und für jeden erreichbar scheint. Also müssen wir die Gegenwart und das, was wir uns darunter vorstellen, genauer untersuchen. Denn meist führen die Vorstellungen haarscharf am erhofften Ziel vorbei.
Auch klingt bei Erleuchtung und Askese, vor allem aber auch Arbeit mit. Diese Arbeit an sich selbst, die da zu vollziehen, ist eine eher abschreckende Aussicht. Von daher warum nicht einen leichten Weg in die Gegenwart finden, was immer das auch für den einzelnen so sein mag. Vom Horror-Trip bis zu ekstatischen Ereignissen, von Neurosen bis zu Psychosen und allen daraus weitergehende Erkrankungen unseres Verstandes, ist alles drin. Denn unter dem Einsatz von Drogen wird der kurze Augenblick, den die Gegenwart beschreibt, erdacht und eben nicht erfahren. Er bleibt ein Konstrukt unseres Verstandes, denn die Menge der Vorstellungen ist der Garant für eine völlig verzerrte Wahrnehmung.
Die zentrale Frage, die hinter all dem zu stehen scheint, wäre doch: Was wollen und erwarten diese jungen Leute demnach vom Leben?
Ist es ihnen zu profan, zu anstrengend? Und empfinden sie sich selbst möglicherweise als unbedeutend? Wollen sie etwas Besonderes sein und als solches anerkannt werden? Suchen sie wo möglich nach etwas, was ihr bisheriges Dasein übersteigt?
Setzen wir unsere Kinder einer Überforderung aus?
Sollten wir als Gesellschaft nicht dazu aufgerufen sein uns zu fragen, was wir mit unseren jungen Menschen machen? Was erwarten wir als Eltern von unseren Kindern? Sollen sie unsere Träume und Erwartungen erfüllen? Und setzten wir sie nicht einer fast unerträglichen Überforderung aus? „Unerträglich“ ist hier ein guter Begriff. Was können sie nicht tragen, was ist zu viel, was übertragen wir einfach auf sie? Warum sind wir als Wegweiser für die Jugend unbrauchbar? Warum fühlen sie sich missbraucht und alleingelassen? Alles Fragen, mit denen wir uns zu beschäftigen hätten, würde uns das Wohl der Jugend am Herzen liegen. Es geht hier auf beiden Seiten um das Gewahr werden von illusionären Vorstellungen, von all diesen Windmühlen, die wir in unseren Köpfen tragen!
Nach den vielen Jahren der Meditation können wir nur, wie so viele andere schon vor uns, sagen, dass nur schon der geringste Ansatz einer Vorstellung, der Erfahrung von Gegenwart, im Wege steht. Diese Wege der Vorstellungen sind und waren nie von Erfolg gekrönt. Vorstellungen, Erwartungen und Gegenwart gehen einfach nicht zusammen. Ganz gleich, mit welchen Mitteln man auch daran geht, wird es am Ende immer ein Ritt auf der Rasierklinge sein. So ist es auch mit unseren Kindern. Sie allein sind die Gegenwart und durch das Dickicht unserer Vorstellungen, sehen wir sie ganz einfach nicht. Oder nur den Teil, den wir erkennen können, da wir für die uns fremden Teile, ganz einfach blind sind. Und all jene Teile, die wir sehen wollen, weil wir sie uns vorstellen. Den ganzen wunderbaren Menschen, der da heranwächst, den sehen wir ganz einfach nicht. Auf diese Weise entgeht uns die Gegenwart und den Kindern entgeht sie auch!
Da wir aber alle in diese Gegenwart hineingeboren werden, haben wir Sehnsucht danach. Sehnsucht nach diesem Ort eines inneren Aufgehoben-Seins. Auf jeden Fall kommen wir immer seltener als andere Gesellschaften die vor uns lebten, in den Genuss der Gegenwart. Vielleicht waren den Gesellschaften vor uns diese Räume nicht bewusst, doch dass auch sie in diesem Raum waren, darüber gibt es keinen Zweifel. Und bewusste Berichte über diese Räume sind uns in allen Religionen überliefertes Gut.
Zurück zu Gegenwart von heute
Diese Gegenwart, die wir uns erhoffen, ist nicht etwa das, was wir erleben, wenn ein Ereignis uns trifft und uns in eine Gegenwart wirft. Es gibt da Unterschiedlichkeiten in der Erfahrung von Gegenwart. Da ist zum einen die Möglichkeit des jetzigen Moments, der, wenn wir zum Beispiel einen Autounfall haben eintritt und der uns zu manch erstaunlichen Handlungen befähigt. In diesem Augenblick sind wir zwar gegenwärtig und befinden uns auch in einem Jetzigen, einem Hiersein, einem Anwesend sein, doch der größte Anteil dieses Erlebens läuft automatisch und unbewusst ab. Wir sind zwar da, aber erfahren uns nicht als wirklich anwesend. Erst im Nachgang können wir die der Situation angepassten Handlungen erkennen. Oft sagen wir dann: Da war ein Schutzengel, oder wir sprechen vom siebten Sinn. Auf jeden Fall ist ein Teil von uns ganz offensichtlich vom tatsächlichen Geschehen getrennt.
Und zum anderen ist jene Gegenwart, die wir uns erhoffen, wenn wir von Erleuchtung oder im „Hier und jetzt gegenwärtig sein“ sprechen, immer noch angelehnt an die Gegenwartserfahrung, die wir durchaus als Momente unserer Kindertage erinnern und die uns bewusst erfasst, sobald wir in der Meditation, Kohärenzerfahrungen machen.
Schon immer suchten und suchen die Menschen nach dem Zustandsraum der Gegenwart und auch der Einsatz von verschiedensten Drogen ist nicht neu. So wird künstlich ein chemisches Milieu erzeugt, das unsere Wahrnehmung in eine Grenzerfahrung führen soll. Das Gehirn kommt unter Druck und wir kommen für für kurze Momente mit dem Raum, einer umfassenden Gegenwart, in Berührung. Doch unter dem Einfluss des chemischen Milieus können wir diesen Raum nicht bewusst erfahren, sondern er wird vernebelt und verzerrt mit dem Wust all unserer inneren Bilder. Und da hier ein toxisch-chemischer Vorgang im Spiel ist, hinterlässt es meist Katerstimmung und Katzenjammer. So erfahren wir eben nicht den Raum einer klaren Gegenwart, sondern befinden uns in einer Traumwelt. Mit der Zeit steigen Frust und Enttäuschung, und diese kurzen, phänomenalen Episoden, sind am Ende oftmals der gradlinige Weg in eine Suchtkarriere.
Doch was ist denn dann dieser Raum einer höheren oder größeren Gegenwart? Dieser Raum, in dem sich meine persönliche Wirklichkeit, mit der Wirklichkeit, die in allem ist, verbindet…
Entspannung vorausgesetzt
Entspannung ist hier die Voraussetzung. Doch eine Entspannung, die durch Hilfsmittel herbeigeführt wird, ist ein Hindernis. Selbst eine gut gemeinte Meditationspraxis, in der ein selbst hypnotischer Ansatz die Praxis bestimmt, wird keine spirituelle- oder Bewusstseins-Öffnung hervorbringen. Vielmehr kommt es dabei zu einer fatalen Verwechslung zwischen der gegenwärtigen Öffnung eines spirituellen oder bewussten Raumes und einer durch Selbsthypnose erdachten Erfahrung dieses Raumes. Also wird uns die sogenannte „Gegenwart“, von einem illusionär besetzen Verstand vorgegaukelt.
Und diese unbedingt notwendige Entspannung, die uns in die Gegenwart hebt, ergibt sich nach und nach, sobald wir durch aktives persönliches Wachstum, aus den Vorstellungen unseres kindlichen Egos heraustreten können. Erst dann, wenn alle Verstrickungen, Vorstellungen und Erwartungen von uns abfallen, tritt die geistig-körperliche Entspannung ein. Ganz wie selbstverständlich ist sie einfach da und wir sind anwesend in ihr. Und genau in diesem Raum, entfaltet sich eine neue Form des Denkens oder besser gesagt des inneren Sehens, denn das, was sich da ausbreitet, ist das Feld eines teilnahmlosen Beobachters.
Er ist weder Kontrolleur noch irgendeine Instanz, die an eine Persönlichkeit gebunden ist. Es ist ein unpersönlicher und völlig freier, sich im Selbst beobachtender Raum. Er ist das Ergebnis eines Wachstums, das weit über das hinausgeht, was wir mit Wachstum verbinden. Er, dieser Raum, ist die Gegenwart oder das Gegenwärtige in uns. Der höchste Raum der Kohärenz, den wir bewusst erfahren können und der uns sozusagen als solcher auch schlagartig bewusst wird. Diese Erfahrung bringt immer radikale Veränderungen mit sich. Das Leben danach ist ein völlig anderes als davor. Es transformiert in Sekunden und alles, was zuvor Bestand hatte, fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Wir sind illusionslos, alle Illusionen los, kann mal hier humorvoll auch sagen. Nun sind wir dort angekommen, wo wir doch zu Beginn hinwollten, in der Gegenwart. Und in der Gegenwart sind wir vielleicht nur selbstverständlich, alles ist selbstverständlich, alles, was zuvor von Bedeutung war, wird zu einer Selbstverständlichkeit.
Und vielleicht meint ja der große Begriff der Erleuchtung, in der Gegenwart gegenwärtig sein, also Selbstverständlich-Sein. Und vielleicht suchen wir ja nur danach, um uns in dem Selbstverständnis nicht nur als Mensch, sondern auch als ein sich selbstverständlich fühlendes Wesen anerkennen zu können. Als eine Normalität und ein ganz selbstverständlicher Ausdruck des Lebens.
Und vielleicht beginnt das Zeitalter der Erleuchtung erst dann, wenn wir diese Normalität, oder das Selbstverständliche, in unserer persönlichen Realität erkennen können.
Auf jeden Fall schließen sich die Gegenwart und das Streben, einer Vorstellung von Erleuchtung, aus. Es passt ganz einfach nicht zusammen und muss auf einen Irrweg führen, auf dem das kleine ICH-EGO immer weiter gedeihen kann. Ab hier wird die Suche dann absurd und zur Besonderheit erklärt. Das Finden rückt in den Hintergrund, und das vielleicht Gefundene, wird zum Spott. Denn nach so viel Mühe und Suche, suchen wir vermutlich etwas viel Größeres, als das, was wir am Ende finden werden. Vielleicht ist das, was finden werden so sehr selbstverständlich, dass wir es für nicht möglich halten.
Und da fällt mir ein Absatz aus einem Rilke-Gedicht ein, der an dieser Stelle passender nicht sein könnte:
„Ich bin ängstlich auf der Reise
mein Glück verbergen vor dem Hauf
ich trag’ es Heim im schnellen Lauf
erst tief in Nächten schließ’ ich’s leise
wie eine goldne Truhe auf.“
Dann hol ich seine goldenen Schätze
aus dunkler Tiefe Zoll für Zoll
und weiß nicht was ich schauen soll
in meiner Stube alle Plätze sind übervoll, sind übervoll
Es war schön, dass Sie wieder einmal etwas über eine Welt erfahren wollten, die sich vielleicht auch in Ihnen rührt und Sie einlädt, Stille und Bedächtigkeit zu erfahren. Bis zu einem nächsten Mal; haben Sie eine gute Zeit und vielleicht lernen wir einander einmal kennen.
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Marion Hötzel, ZENtrum-Mondsee 2025
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