Über ZEN und wie Weisheit geht …
eine Betrachtung von Marion Hötzel
Wir sehen im ZEN der heutigen Zeit ein sehr modernes und flexibles Selbst-Wahrnehmungs-Instrument, das jeden Menschen befähigt, sich als ein Selbst zu erkennen. Erst in diesem, sich als ein Selbst erkennen, können wir unsere unerschöpflichen Ressourcen entdecken und beginnen, diese zu kultivieren.
ZEN in der Moderne
Beginn
Doch schauen wir nun auf die wichtigsten Merkmale der Entwicklung des ZEN. Viele Zweige haben sich aus ihm entwickelt, und neben den klassisch asiatischen Traditionen, hat er das Christentum, das Judentum und den Islam mit geprägt. Seine Wurzeln und Verästelungen zogen von Indien, über China und Japan, bis sie sich dann auch in Europa ausbreiten konnten.
Der Chan, hat sich auf der Grundlage des Mahayana-Buddhismus, schon 100 Jahre v. Chr. in Indien entwickelt und benötigte rund 200 Jahre um sich zu etablierten. Bereits im fünften Jahrhundert, n. Chr., entwickelte sich in China die erste buddhistische Schule des Chan. Chan entstammt dem Sanskrit-Wort Dhyana, was Meditation bedeutet und die zentralen Werte waren Mitgefühl (Karuna) und Weisheit (Prajna). Diese Aspekte wurden als die zwei Beine betrachtet, die notwendig sind, um den buddhistischen Weg gehen zu können. Der Konfuzianismus, wie auch der Taoismus, beeinflussten die Entstehung des Chan-Buddhismus ganz wesentlich, bevor er sich schließlich in Japan zum ZEN entwickelte.
Der indische Mönch Bodhidharma gilt als das Urbild des Zen-Meisters und soll zwischen 516 und 526 n. Chr. in China angekommen sein. Um ihn herum ranken sich sehr viele Geschichten, die bis heute einen enormen Stellenwert in der Lehre besitzen. So soll er neun Jahre lang bewegungslos mit dem Gesicht zu einer Wand meditiert haben. Was wir heute infrage stellen dürfen, denn zu jener Zeit, hatten die Menschen einen anderen Zugang zur Zeit und dessen Prinzip. Da konnte schon mal ein Meditierender, der mühelos viele Stunden aufrecht sitzen konnte, staunen hervorrufen.
Dass allerdings einer seiner Schüler sich den Arm abschnitt, um zu erreichen, dass der Meister mit ihm sprechen sollte, das glaube ich hingegen schon. Denn auch zur damaligen Zeit waren die Menschen schon fähig, so etwas zu tun. Schauen wir nur mal zurück in die Epoche des 2. Weltkriegs und erinnern uns da an die Kamikaze Flieger der japanischen Luftwaffe, die aus der Tradition der Samurai stammen. Bis heute kann ein Mensch sich selber töten, auch zur Selbsttötung angestiftet und als Tötungsmaschine eingesetzt werden. Und dieses Phänomen ist immer noch und überall auf der Welt zu sehen.
ZEN und Erleuchtung
Doch kommen wir zurück in das innere Wesen des ZEN. Im ZEN-Buddhismus wird das plötzliche Erwachen, Satori genannt, immer sehr betont. Im Gegensatz dazu der indischen Buddhismus, der ein Stufenweg der Erleuchtung ist und fest an das alte Schriftstudium und der aktiven Vermeidung schlechter Handlungen, gekoppelt ist. Eine weitere Auffassung im ZEN ist, dass die jedem Menschen innewohnende Buddha-Natur, durch das Aufeinandertreffen von Lehrer und Schüler, offenbar wird. Diese Beziehung richtet sich stets auf das JETZT aus. Diesem JETZT, diesem Augenblick, wird sehr viel mehr Bedeutung beigemessen, als den Schriften und guten Taten, die jedoch auch hier keineswegs unbedeutend sind.
Diesem offenen Ansatz des JETZT folgend, hat sich der ZEN bis heute erhalten und hat sich stets erneuert. Wir sehen im ihm ein sehr dynamisches Entwicklungsmodell, zur Erkennung der Funktionsweisen unseres Verstandes. Die klassischen und traditionellen Werkzeuge der formellen Praxis sind uns bis heute geblieben und haben nichts an Aktualität verloren. So sind die Sitzmeditation, die Gehmeditation und die achtsamen Übungen zur Körperbeobachtung, ständige Begleiter der Praxis. Sie bringen uns Erholung, Erhellung durch Erkenntnis, Selbstzuwendung und den Sinn für ein Gemeinwohl. Zuweilen aber auch Unfrieden und Unruhe, Aggression und Zweifel.
Es gibt Fluch und Segen in einem Ding
Früher sah man den Körper als Hindernis an, als etwas, den es zu bekämpfen oder zu überwinden galt. Heute sehen wir das etwas anders. Zwar glaubt der Mensch immer noch, der Herr seines Körpers zu sein, doch eine Wende hin zum Selbstmitgefühl ist derzeit schon erkennbar. Für uns auf jeden Fall ergibt es keinen Sinn den eigenen Körper zu bekämpfen, sondern wir erkennen in ihm einen Raum, in dem unsere Erfahrungen manifest werden können. Und wir erkennen, dass es nicht darum geht, den Körper zu überwinden, sondern es geht darum, unseren Verstand zu überwinden! Und da braucht es Geduld und Fingerspitzengefühl, denn ihn, den Verstand zu überwinden, ist keine leichte Sache. Den Verstand zu überwinden ist die eine Seite der Medaille, die andere Seite ist, ihn mitzunehmen, ihn anzuerkennen, ihm klarzumachen, dass doch gerade er es ist, der uns als Spezies auszeichnet und wir diese Fähigkeiten unbedingt nutzen und erweitern sollten. Dazu beginnen wir, wie schon vor vielen hundert Jahren damit, unseren HerzRaum zu stärken und zu kultivieren. Denn er ist ein Raum, in dem der Verstand auch Ruhe finden kann.
So sind die METTA-Meditationen, mit Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge, unerlässlich, damit die Öffnung, zu dem von uns angestrebten universellen Mitgefühl, gelingen kann. Nach wie vor steht der Atem dabei, als Brücke von Bewusstheit zu Bewusstsein, im Mittelpunkt der formellen Praxis. Er ist der Bewusstseinsträger, der Hauch, zwischen hier und dort.
Der ZEN und die Geschichten
Die Nahrung für einen sich weitenden Verstand, sind die vielen Geschichten und Rätsel des ZEN. Sie zeigen eine tiefe Liebe zu den Begabungen des Verstandes, zeigen aber auch seine Begrenztheit. Sie enthalten alles, was wir alle doch so gut kennen, Spannung und Entspannung, Erhellung und Verzweiflung, Freude und Launenhaftigkeit, Glücksgefühle und Resignation, Sieg und Niederlage, alles in sich vereint, wie wunderbar … Seine Geschichten und Rätsel sind immer aktuell, sie sind ohne Zeit und sie haben nur eines im Sinn, die Weitergabe eines stets lebendigen ZEN.
So wie diese Geschichte: Mitten in einer Rede soll Buddha plötzlich eine Blume hochgehalten und dabei geschwiegen haben. Die versammelten Mönche fragten sich, was das wohl zu bedeuten habe. Nur ein einziger Mönch begann zu lächeln und drückte auf diese Weise, ebenfalls wortloses, sein Verständnis für diese Geste aus.
Diese Geschichte ist ein Ausdruck dafür, wie die Übermittlung von lebendigem Wissen, jenseits von Wort und Schrift, geschieht. Der ZEN hat eine schriftliche Tradition hervorgebracht, die bis heute an Aktualität nicht verloren hat und die eine wertvolle Sammlung von Geschichten und Legenden über Zen-Meistern, in sich trägt. Unzählige wunderbare Koans, blieben auf diese Weise bis heute erhalten.
Doch bitte, was ist ein Koan? Eine Narretei, ein Nonsens, ein Rätsel jenseits des Verstandes, eine Paradoxie. Er ist eine scheinbar sinnlose Frage, die in einen Geistesraum, jenseits der offensichtlich dualen Welt, führen kann.
In unserem kognitiven Verstand unterliegt alles dem Prinzip der logischen Verbindung von Dingen, Erinnerungen und Vorstellungen. Im ZEN heben sich allerdings diese Bezugsgrößen auf. Dort haben wir es ausschließlich mit Paradoxien zu tun. Als kleines Beispiel an dieser Stelle: Im ZEN ist 1 + 1 auf keinen Fall 2, aber sehr gerne 3 oder 7 oder 11 und vielleicht doch auch 2.
Berühmte kurze Koans sind:
„Wie klingt das Geräusch einer klatschenden Hand?“
„Was macht ein Frosch?“
„Wie kommt die Gans aus der Flasche?“
Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Koans. Zum einen die Sammlungen kurzer Geschichten und Dialoge zwischen einem Meister und seinen Schülern, die dazu dienen, den Verstand ins Leere laufen zu lassen. Durch die Konzentration auf eine scheinbar sinnlose Frage oder Begebenheit, sollen die Schüler befähigt werden, die Barrieren ihres vordergründigen Verstandes zu durchbrechen, um jenseits seiner rationalen Gewohnheiten, in andere Bewusstseinsebenen zu gelangen.
In einer weiteren und recht merkwürdigen Art der Unterweisung wird der Augenblick, das Geschehen im jetzigen Moment, zum Lehrmeister. Ein Lehrer dieser Methode war Meister Rinzai. Er soll seine Schüler anschrien und geschlagen haben, um ihnen so, ein spontanes Erwachen zu ermöglichen. Hier spielt das Studium überhaupt keine Rolle, sondern durch die direkte Erfahrung, soll die Erweckung gelingen. In den Überlieferungen heißt es, dass das gewöhnliche Denken, in der direkten Erfahrung transzendiert werden kann. Erst im zweiten Schritt, dem Ankommen nach der Erweckung, oder auch Entleuchtung, dienen die überlieferten Schriften der Verfestigung im Geiste. Die Aufzeichnungen, über dieses eigenwillige Verhalten des Zen-Meisters, wurden auch Teil der verbindlichen Schriften und sind ein Paradebeispiele dafür, wie Vielfältigkeit der ZEN in seiner Methodik ist.
Die Moderne
Die sogenannte Moderne des ZEN, beginnt in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Nach dem 2. Weltkrieg, erfährt er wieder einmal eine große Entwicklungsphase. Einerseits ergaben sich nach dem 2. Weltkrieg, viele Anknüpfungspunkte durch asiatische Einwanderer in westliche Industriestaaten und zum anderen, interessierten sich mehr und mehr westliche Reisende, Wissenschaftler, Künstler und Literaten, für ostasiatische Kulturen, Sprachen und Religionen. Die europäische Epoche des ZEN, begann schon in den 1930er und 40er Jahren. Denn Japan war während der Zeit des Nationalsozialismus ein Verbündeter Deutschlands und das trug dazu bei, dass die japanische Kultur auch in unseren Breitengraden bekannter wurde. Hier waren es die Kampfkünste, die mal erst im Vordergrund standen und zu denen sich immer mehr Menschen hingezogen fühlten. Es gab Sumo, die Kunst des Ringkampfes, oder Kendo, als Kunst des Schwertes und Aikido und Judo, als Kunst des Zweikampfes, um nur einige zu nennen und die immer noch populäre sind.
In der Zeit nach dem Wiederaufbau Europas, beginnend mit den 1960er Jahren, setzten sich Musiker, bildende Künstler und Schriftsteller, mit dem ZEN auseinander. Es war die Zeit der Aufarbeitung der menschlichen Tragödien, die durch den 2. Weltkrieg entstanden und Weltenlage war sehr instabil. Da gab es Strömungen der Gewalt, es gab die Befreiung der Sexualität und eine grundlegende Auffrischung der Intellektualität durch Studentenbewegungen auf der ganzen Welt. Nichts sollte bleiben von all dem Alten, alles wurde auf den Kopf gestellt und es wehte ein neuer Wind. In den USA der 1960er bis 1980er Jahre wurde der gelebte ZEN ausgesprochen populär und fand Eingang in die Alltagskultur.
Meditationslehrer wie Krishnamurti, OSHO (Chandra Mohan Jain oder Bhagwan) und andere indische GURUS, lehrten in den USA und Europa. Sie gründeten Schulen, wie Krishnamurti es tat, oder wie OSHO, der große alternative Meditations-Gemeinschaften gründete. Während dieser Zeit erfuhr die Meditation eine völlig neue Richtung. Auch wenn das Projekt von OSHO in den USA scheiterte, besteht sein Ashram in Indien bis heute und die Schulen von Krishnamurti haben sich etabliert.
Ein existenzieller Aspekt im ZEN, liegt auf der Verrichtungen der alltäglichen Arbeiten wie: Kochen, Essen, Geschirrspülen, Autofahren, Bügeln, Kindererziehung, Partnerschaft, berufliche Verpflichtungen. Alle Tätigkeiten und Untätigkeiten, sind als Meditationspraxis aufzufassen und auszuführen. So bemühten sich die Meditierenden in den Ashrams und Gemeinschaften darum, eine durchgehend meditative Handlung, in einem strukturierten Alltag mit all seinen Tätigkeiten, zu entwickeln. Der Geist des ZEN erhielt etwas Neuzeitliches und wurde auf eine harte Probe gestellt. Dabei wurde er völlig zerrissen, fügte sich neu zusammen, hat alles überdauert und ist in das menschliche Bewusstsein eingetreten. Heute meditieren so viele Menschen wie niemals zuvor und wir können erkennen, dass sich die Entwicklung von Bewusstsein sich ihren Weg bahnt.
Entwicklung und Aussichten
Wir erkennen, die Entwicklung von Bewusstsein, setzt sich durch. Unsere eigenen Prägungsjahre befähigen uns dazu, die Inhalte, die wir vermitteln, als lebendiges Übungswerkzeug weitergeben. Studien haben längst gezeigt, dass Achtsamkeit zu mehr Kollegialität, Zufriedenheit und Zugehörigkeit, führt. Meditation und das Üben der Achtsamkeit, mit dem Einbeziehen von Körperpsychologie, und der Struktur des ICH oder Egos, sind die Aspekte des modernen ZEN.
Es sind vier Wege, die sich in den letzten 100 Jahren durch die humanistische Psychologie und deren Bahnbrecher, wie Georges Gurdjieff, Sigmund Freud, C.G.Jung, Wilhelm Reich, Viktor Frankl, Stanislav Grof, Ron Kurz, Alexander Lowen, Fritz Pearls, entwickelt haben. Parallel dazu trugen die Anschauungen, der großen Meditationslehrer des letzten Drittels des vergangenen Jahrhunderts, zur Ergänzung und Erneuerung der Traditionen bei. Meditationslehrer wie Chandra Mohan Jain (OSHO), Jiddu Krishnamurti, Jack Kornfield, Eckart Tolle und Jon Kabat Zinn, blieben von dem Wissen der humanistischen Psychologie nicht unberührt und fügten sie dem Traditionellen des ZEN hinzu. Diese Transformation nahm in den 1970ger Jahren ihren Anfang.
So kamen die körperorientierten aktiven Meditationen, die bioenergetische Körperarbeit, die Gestalttherapie, die holotrope Atemtechnik und das Wissen einer systemischen Traumaarbeit, hinzu. All diese Bausteine ergeben zusammen die Ansätze des vierten Weges. Der Begriff „Der Vierte Weg“ geht auf George Gurdjieff zurück. Im Allgemeinen wird er so bezeichnet, weil er die bekannten drei Wege, den des Körpers, der Seele und des Geistes vereint und somit einen vierten, den integralen Weg zum ICHSEIN eröffnet und genau das, ist die eigentliche Neuerung. Der Weg durch die individuelle Persönlichkeit, dem ICH, hin zu einem individualisierten Wesen, also durch ein Ich, zu einem SELBST. Vielleicht entwickeln wir uns durch diesen Schritt weiter in Richtung Mitgefühl. Nicht nur durch das Geburtsrecht ein Mensch zu sein, sondern aus Liebe tatsächlich ein Mensch zu werden. Die Arbeit daran bleibt uns erhalten. Wir persönlich sind es, die dies möchten oder auch nicht möchten und beides ist völlig in Ordnung. Denn die Aussichten sind überschaubar. Besser als andere werden wir nicht, aber friedvoller ganz sicher. Und schön ist auch, dass der Weg zur Selbstbefreiung, den wir durch die Struktur des vierten Weges gehen, zwar auch immer mal beschwerlich sein kann, doch während wir gehen, wird er immer leichter und die Leichtigkeit des Seins ist auf jeden Fall immer ein Gewinn.
Die wesentlichen Inhalte des vierten Weges sind:
- die bewusste Auseinandersetzung mit dem persönlichen Ich; in Beziehungen, in der Haltung zum Alltag und zum Leben, sowie zur Familie und Beruf.
- die gemeinsame Meditationspraxis und der bewusste Austausch mit Gleichgesinnten.
- das Eingehen können von Verbindung ohne Zwang, Aufdeckung der Prägungsgeschichte und ihren Einfluss auf unser Familien- und Beziehungssystem, sowie unseren Platz in der Gesellschaft.
- die beständige Übung der Achtsamkeit und Aufmerksamkeit, im Innern und im Außen.
- Meditationspraxis als selbst reflektorisches Moment
- Die Nicht-Identifikation durch Bewusstwerdung, aller geistigen Vorstellungen, des persönlichen Lebens- und gesellschaftlichen Wertesystems, persönlicher Vorlieben und Abneigungen, die Anhaftung an Bedingungen und Glaubenssätzen.
- SEINS-Erfahrungs-und SELBST-Werdungsprozess über einen Zeitraum vom 16 Monaten, zur Integration durch Meditation und Achtsamkeit.
Ein Zitat von Peter Ouspensky, der ein Gurdjieff-Schüler war, ist an dieser Stelle sehr passend. So sagte er:
„Ein Mensch darf nichts tun, was er nicht versteht. Je mehr er versteht, was er tut, desto größer wird das Ergebnis seiner Anstrengungen sein. Das Ergebnis der Arbeit steht im Verhältnis zur Bewusstheit und dem Einverständnis. Auf dem vierten Weg ist kein ‚Glaube’ nötig; im Gegenteil, jede Art von Glauben steht im Widerspruch zum vierten Weg.
Auf dem vierten Weg muss sich ein Mensch von der Wahrheit dessen, was ihm gesagt oder nicht gesagt wird, selbst überzeugen.“ Dies ist das Grundprinzip des vierten Weges“. (Ouspensky 1966, über die Essenz des 4. Weges)
Das Vertrauen, das aus uns selbst und durch die direkte Erfahrung der innewohnenden Verbindung mit der eigenen Essenz erwächst, lässt uns allmählich verstehen, was wir bislang nicht verstehen konnten und warum uns das Leben mitunter immer ein wenig fremd erschien.
Das Lebendige liegt in der Bewusstheit von Bewusstsein. Nicht in einem Bewusstsein „von“, sondern von einem Bewusstsein „in“. Somit verliert der ZEN sein häufig starres und prinzipielles Konstrukt und kann so als ein lebendiges Werkzeug zur Selbst- und Seins-Erkennung genutzt werden. Er wird somit sehr persönlich und dient jedem Einzelnen, seine Prägungen und Wurzeln, besser zu verstehen und setzt einen Kreislauf der Liebe in Gang.
In weiterer Folge und der Praxis mit Gleichgesinnten kommen wir in die Bereiche von Mitgefühl und Toleranz für das Anderssein. Und dieses Anderssein führt uns in das außergewöhnliche Gefühl von universeller Verbindung. In den Bereich, des ALL-EINS-SEIN und der Verbindung mit dem Leben, welches wir es dann als wahrhaftig und empfinden können. Ab hier beginnt ein anderes Konzept des Lebens, anders als wir das, was wir bisher verfolgten. Und wieder haben wir es mit einem Paradoxon zu tun. Von einem Machen wollen, hin zu einem Tun lassen. Ein Paradoxon in sich. Denn es heißt nicht, nichts zu tun, sondern es heißt, nichts zu MACHEN. Aus dem nicht MACHEN, entsteht ein SEIN mit und aus dem SEIN, entsteht ein TUN um zu SEIN.
Vielleicht ist diese Form der Arbeit mit uns selbst, der nächster Schritt auf dem Weg der Weiterentwicklung des menschlichen Bewusstseins. Ein Schritt, der uns tiefer in das Konstrukt unseres Daseins hinein führt, um das Ganze verstehen zu können und um Verbindungen, die getragen sind von tiefer Menschenliebe und Mitgefühl, eingehen zu können. Und vielleicht ist die heutige Meditationsbewegung ein Zeichen, eine Vorbereitung darauf, dass wir als Menschheit zusammenrücken müssen, dass wir einander Brüder und Schwestern im Geiste und in der Realität werden müssen. Bedenken wir mal die Aussichten, bezüglich der ganz normalen Veränderungen, wie das Klima und der weltweiten gesellschaftlichen Herausforderungen, ist diese Vermutung durchaus gestattet.
Entfremdung
Doch da gibt es Hürden in uns, die uns Grunde alles irgendwie fremd erscheinen lassen und wir leiden unter einer steten Entfremdung. Entfremdung von uns selbst, Entfremdung von Anderen, Entfremdung vom Leben. All die vielen Ablenkungen und täglichen Aufgaben lassen uns außer Atem kommen und wir verlieren unsere geistige Frische, Neugierde und Erfinderkraft. Tragischerweise bedienen all die Ablenkungen, die Unbewusstheit in uns und das führt in den Kreislauf der Entfremdung und lässt unseren Geist dumpf und träge werden. So werden wir blind, taub und stumm für alles, was um uns herum geschieht. Wir sind nicht mehr in der Lage zu erkennen, was wahrlich geschieht, sondern sind verblendet und hetzen Dingen hinterher, die unerreichbar sind. Zum Beispiel, dass wir selbstbestimmt und selbstwirksam wären, und zwar nur, weil wir das heute lesen und hören. Doch das ist bislang nur ein Traum. Die Wirklichkeit ist doch, dass wir von einer Vorstellung bestimmt werden, die dann wirksam wird und Auswirkungen zeigt, die so nie wollten. Aus diesem Irrtum heraus entstehen die meisten sichselbst Verletzungen. Der Bereich, in dem wir gnadenlos mit uns selbst sind, machen den Zugang zu unserem innewohnenden Mitgefühl unmöglich. Hier empfinden wir uns ausgeschlossen und alleingelassen, werden gewalttätig gegen uns und anderen.
Es ist eine schmerzliche Realität, doch bisher sind im Sinne des Bewusstseins immer noch unmündig und unfrei. Unmündigkeit, ist für das menschliche Dasein etwas zutiefst Abscheuliches und tatsächlich möchte niemand unmündig sein. Das Grundprinzip des Lebens ist Wachstum und so wünscht sich jedes menschliche Wesen, Entwicklung durch Wachstum. Es ist ein stilles Versprechen, wie eine Ode an die Existenz. Doch an dieser Stelle gehört erwähnt, dass es viele unbewusste Strömungen in uns gibt, die uns weiter unmündig sein lassen wollen! Schließlich haben wir es uns bequem gemacht, haben uns arrangiert und jeder Versuch von außen geweckt werden zu können, wird mit allen Mitteln schon im Keim erstickt. Von wem? Na, von uns selbst …
Erst ein sich regender äußerer oder innerer Impuls, der so etwas wie Unzufriedenheit oder plötzliche und unangenehme Veränderungen in unser Leben bringt, lässt die Ahnung zu, dass es da einen Widerstand in uns gibt, der viel zu viel Kraft kostet. Da ist im Innern ein unsichtbares Ringen, bei dem am Anfang schon feststeht, dass es am Ende nur Verlierer geben wird. Verlust an Lebensfreude, Verlust an Leichtigkeit, Verlust an Kreativität, Verlust an geistiger Bewegung, kurz gesagt, der Verlust an SICH SELBST und das Gefühl unmündig zu sein.
Immanuel Kant, schrieb schon im Jahre 1784, in einem bemerkenswerten Aufsatz zur Aufklärung und Mündigkeit des Menschen, dass der Mensch sich selbstverschuldet in Unmündigkeit hält!
Er argumentiert, dass die Unreife nicht durch mangelndes Verständnis selbst verursacht wird, sondern durch mangelnden Mut, die Vernunft, den Intellekt und die Weisheit aus sich selbst heraus, einzusetzen. Dies würde dann unweigerlich zur Verantwortung des Einzelnen führen. Kant argumentierte weiter, dass die Verwendung der eigenen Vernunft von den meisten Menschen sogar als gefährlich angesehen wird. Doch seine Aufforderung an uns ist: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ –Sapere aude – Wage es, weise zu sein!
Damit bringt er den Glauben an den Menschen in Reinform zum Ausdruck. Und was kann der Menschheit besseres geschehen, als dass möglichst viele Menschen, sich auf den Weg zu mehr Bewusstheit begeben und sich so zu mündigen und selbstverantwortlichen Wesen entwickeln. Weisheit schafft in jedem Einzelnen, Raum für spontane Lebensfreude und einer liebevollen Wachheit, für sich selbst und andere. Vielelicht ist es ein gewaltiger Schritt, den wir als Menschen jetzt machen müssen, damit aus dem schon erfolgreichen Experiment MENSCH, ein Geisteswesen, voller Weisheit und Liebe entstehen kann.
Wir versuchen unser Bestes zu geben und möglicherweise fühlen sie sind inspiriert und werden auch ganz einfach weise. Vielleicht auf Ihre eigene Weise und vielleicht auch mit ein wenig ZEN …
Ganz herzlichen Dank für Ihr Interesse.
COPYRIGHT
Marion Hötzel
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Über eine Quellenangabe freue ich mich …
Vielen Dank!