Was ist ein Leben ohne Tod
Und warum machen wir es uns so schwer, ihn den TOD, in seiner radikalen Konsequenz zu akzeptieren? Oder haben wir im Grunde nur Angst vor dem Leben?

Was ist ein Leben ohne Tod?
Wir können die Einzigartigkeit unseres Daseins nur dann bewusst erfassen, wenn wir lernen, unser Leben vom Tod aus, zu betrachten…
Das war der Tenor in einer Gesprächsrunde nach einem unserer Kurse. Wir redeten darüber, was sich in uns verändert, wenn wir den Tod weiterhin ausschließen und somit auch Alter und Krankheit, nicht anerkennen. Der Wahn der ewigen Jugend und der Dauergesundheit ist nicht neu, jedoch wird er gerade wiederbelebt. In unserer Gesellschaft gibt es Alter, das Altern und die Gebrechlichkeit, nicht mehr. Wobei Gebrechlichkeit ein schönes Wortspiel mit sich bringt. Und ich es nicht lassen kann, einem Impuls nachzugehen, der dieses Wort untersucht und somit vielleicht den Trend, den wir gerade sehen, entlarven kann. So erkenne ich eine Gesellschaft die sich nur beim bloßen Anblick vor Alter und Krankheit, vor lauter Ekel, übergibt. Sie brechen aus sich heraus, nehmen alles in Kauf, was ein langes Leben ohne Altern und Krankheit verheißt. Dass sie dabei auf Liebe verzichten, ist ihnen nicht bewusst. Der Preis ist hoch, doch der Schein der ewigen Jugend, strahlt deutlich mehr als die Liebe. Denn Liebe, entsteht immer nur durch Verlust. Demnach wächst die Liebe zum Leben und die Liebe zu uns selbst dadurch, das wir Prozesse von Veränderungen durchlaufen. Erst der anerkannte Verlust der Jugend kann uns die Liebe näher bringen. Und ab hier, können wir das tatsächliche Ausmaß einer gesellschaftlichen Verblödung erkennen, in der wir den Bildern, von ewiger Jugend in einem kraftstrotzenden Körper, hinterherrennen. Oder besser gesagt diese Bilder und Vorstellungen werden zum Lebensinhalt, zur unbedingten Maxime und dabei anerkennen wir nicht, das es sinnlos ist dem Tod und dem Altern auszuweichen. Doch das, was dabei unbemerkt vergeht, ist tragischer das Leben. Wer demnach nicht alten will, der sollte mit 50 oder 60 sterben. Es nichts falsch daran oder gar schlimm! Vielmehr ist es doch nur die logische Konsequenz und die ist durchaus zu respektieren. Wir sind freie Menschen und fühlen uns Selbstbestimmt, also warum nicht auch den TOD bestimmen.
Doch was steckt hinter diesem Jugendwahn? Ist es womöglich die Sehnsucht nach Liebe, die zweifelsohne in allen gesellschaftlichen Schichten vorhanden ist? Steckt in der Bestätigung eines tollen jugendlichen Aussehens, die Forderung geliebt und vor allem Anerkannt zu werden und sehen wir uns heimlich nach Unsterblichkeit? Und ob das dann Liebe ist, was wir da empfangen, wage ich zu bezweifeln. Vielmehr geht es doch hierbei um Selbstbeweihräucherung. Der unbedingten Aufrechterhaltung eines Bildes über uns, das durch die unbedingte Anerkennung im Außen, real zu werden scheint. Ein Scheinbild demnach. Und dieses Scheinbild benötigt einen ständigen Widerhall, ein Echo ähnlich einem Mantra, um existent zu sein. Das da besagt: So wie ich aussehe, will ich geliebt und bewundert werden. „The Show must go on.“
Dabei vergeuden wir tatsächlich die schönsten Jahre der Jugend. Vergeuden sie damit, diese Vorstellung aufrecht zuhalten um, koste es was wolle, die Jugend zu verlängern. Somit leben wir in einer Scheinwelt, einer Illusion, einer Fata Morgana!
In den meisten Fällen zieht das tragisch anmutende und durchaus absurde Verzerrungen mit sich. Das wirkliche Leben steht uns nicht zur Verfügung, sondern es wird zu einer Karikatur, einer Attrappe. Es gab da mal einen Film mit dem Titel, die Teufelinnen, in dem vier Damen mittleren Alters, sich auf der Beerdigung einer gemeinsamen Freundin trafen. Drei Freundinnen waren schon anwesend als die Vierte kam. Da sagten sie zueinander, schaut doch mal, einige Teile an ihr sind auch schon „50!“ Ein böser und gleichzeitig tragischer Spott. Da kann man doch nur hoffen, das niemand wach wird und erkennt, dass das, was da vorbeigeht, das eigene Leben ist. Denn das wäre doch unaushaltbar!
Das tragisch Absurde wird auch deutlich, wenn wir junge Eltern beobachten, wie sie ihnen Kindern zeigen, was sie alle so drauf haben und die Kinder neidvoll auf ihre Eltern blicken. Im Inneren des Kindes spielen sich Dramen ab, doch die werden gar nicht wahrgenommen. Das Kind versteht augenblicklich, dass es das, was es da vorgeführt bekommt, nicht schaffen wird. Und das stimmt sogar. Doch die Eltern sehen diese Not nicht, sondern sie empfinden sich als Vorbild und Ansporn. Dies kann sich dann in zwei Seiten zeigen.
Entweder das Kind kapituliert sofort und verliert jeglichen Ansporn und Eigenmotivation etwas zu lernen, oder es wird zu einem Mega_Überflieger, dessen Absturz spätestens in der Pubertät oder im jungen Erwachsenen, zu besichtigen ist. Dazu erinnere ich mich an einen makaberen Muttertags-Cartoon, auf dem eine Mutter, die sportlich und durchtrainiert in einem Sexykleid, in den Spiegel schauend, zu sehen war. Ein kleines Mädchen sah zu
dieser Frau bewundernd auf. Das durchaus süße Mädchen war etwas pummelig und pausbäckig. Sie sagte zu dieser Frau, die wohl ganz offensichtlich ihre Mutter war: „Mama wie fühlt man sich, wenn man eine so hübsche Tochter hat?“ Die Mutter schaute weiter in den Spiegel und antwortete: „Ach Schatz, da musst Du mal die Oma fragen!“
Jetzt könnten wir darüber lachen, doch dem kleinen Mädchen ist wohl das Lachen im Halse stecken geblieben. Und auch so ergeht kleinen Jungen, wenn die Väter so über die Maßen optimiert und in allem, was sie tun, so super sind. Und genau da gedeihen sie, diese unsichtbaren Stilblüten, die immer am Rande eines Trends, erblühen. Die Blumen die daraus erwachsen, erkennen wir meist erst sehr viel später. Wir nennen das dann Generationsprägungen. Alle diese Prägungen haben unbewusste Anteile, die Sichtbar werden wollen. Wie zum Beispiel, das derzeit viele Jungen und Mädchen magersüchtig sind oder unter Bulimie leiden. Sie haben keine andere Wahl als in die Gesellschaft zu
kotzen oder sich dem Leben, durch Nahrungsentzug, zu verweigern. Hier zeichnet sich doch schon ganz deutlich ab, das der Tod unbedingt zum Leben gehört. Doch die Hilferufe der Seelen laufen meisten ins Leere.
Machen wir uns ab hier mal Gedanken über den Tod und sein Leben
Dazu wechseln wir die Perspektive und betrachten unsere Leben einmal vom Tod aus. Das können sie in einer Sternstunde tun, während einer Zeit, die sie sich dafür reservieren, und damit beginnen ihr bisheriges Leben vom Ende her zu betrachten. Es ist eine sehr intime Zeitreise in die wir uns da begeben, doch ich denke, es lohnt sich. Das Leben wird ein anderes sein, wenn sie von dieser inneren Reise zurückkehren. Für mich selbst, war es ein tief berührendes Ergebnis, mein bisher vergangenes Leben und auch die IST-Situation meines Lebens, auf diese Weise zu erinnern und zubegreifen.
Die Kinder, die mir entwachsen sind, der Tod geliebter Menschen, der Verlust von Freundschaften, der Gewinn an Bewusstheit, die Schönheit der Welt, die Kälte des Winters, die Hitze des Sommers, der Genuss wundervoller Speisen, der Geschmack von gutem Wein und das Erfrischungsbier nach einer langen Wanderung. Die Vielfalt in der Unterschiedlichkeiten der Menschen, die Angst vor Nähe, wie vor Distanz, jene Schönheit der Jugend, der Mut und alle die Zögernisse. Das Verpasste, das Gelungene, die Kraft und die Ausdauer in der Mitte des Lebens und auch die Ahnung von der Pein des alternden Körpers. Alles bekam eine unerwartete Bedeutung und alles hatte mit Liebe und
Abschiedsschmerz zu tun. Es war ein tiefer Schmerz, der mich bei der Vorstellung all das verlieren zu müssen, durchströmte. Ein Schmerz, der so tief ging, dass ich ihn heute als einen emotionalen Tod bezeichnen möchte.
Alle Emotionalität war auf Eis gelegt. Es war unerträglich heiß und eiskalt zugleich in mir.
So kalt, dass die Zähne klapperten und ähnlich wie bei hohem Fieber, ein gewaltiger Schüttelfrost meinen Körper durchfuhr. Es war der schlagartige Tod all meiner Illusionen, all meiner Vorstellung und auch all jener Vorstellungen, die mir bis dahin nicht einmal bewusst waren. Plötzlich war ich geistig nackt und hatte das Gefühl, in einer Geisterbahn zu sitzen. Es war kein wünschenswerter Augenblick und sterben wäre wohl besser, schoss es durch meinen Kopf, denn alles, was sich zeigte, war die unausweichliche Realität.
Vielleicht war es auch eine Reise in die Abgründe des menschlichen Seins, so auf jeden Fall erschien es mir. Ein Höllenritt ins Jenseits. Dieses Jenseits, war am Ende dieser Tortur, mein Leben im Jetzt, ein Leben im Diesseits.
Niemand, der zu meditieren beginnt, macht sich ein solches Bild oder eine solche Vorstellung. Vielmehr geht es doch um Erleuchtung und um ein Leben voller Liebe, Achtsamkeit, Glück, Gesundheit, Reichtum und Güte, was wir uns vorstellen und mit Meditation verbinden. Und ich, ich tat das auch. Tatsächlich waren die ersten Jahre meiner Praxis davon gekennzeichnet. Mein Bewusstsein wuchs und ich wurde weise, das dachte ich zumindest. Erleuchtung? Ja, ganz klar, was denn sonst! Viele Wünsche gingen in Erfüllung, das Leben war leicht und unbeschwert, bis es zu sehr einschneidenden Ereignissen kam. Und rückblickend auf diese Ereignisse kann ich heute sagen, dass es da zuvor schon kurze, kräftige Vorläufer gab, die mich mit den Aspekten von Widerstand und Hingabe, konfrontierten. Doch das war alles irgendwie händelbar und heute weiß ich, dass ein noch größeres Ego daraus erwuchs. Ganz nach dem Motto: Je größer die Herausforderungen und ihre Bewältigung, je größer das EGO.
Doch dann an einem schönen Nachmittag und aus völlig heiterem Himmel traf es mich, wie ein Schuss in der Tiefe meines Brustkorbes, der mich zu erdrücken schien. Neben einem unsäglichen Schmerz, stieg gleichzeitig ein entsetzliches Scham- und Ohnmachtsgefühl, in nie da gewesener Intensität auf, und legte sich tonnenschwer auf mein Herz und meine Brust. Schwer wie ein Felsen und kalt wie Eis. Das Herz stand für eine Weile völlig still und als es wieder zu schlagen begann, blieb ein gebrochenes Herz zurück. Und das ist bis heute so.
Es war unendlich schwer zu erkennen, dass meine Söhne viel von dem, was ich als die Leichtigkeit des Seins für mich in Anspruch nahm, als übermäßige Last erfuhren. Sie haben es geschafft, mutig und standhaft den Verlust von Elternschaft, Nestwärme und den Selbst-Tod ihres Vaters zu (er)tragen. Leicht war es für sie auf jeden Fall nicht, und heute ziehe ich meinen Hut vor ihnen und verneige mich. Eine Demut, die ich nur durch sie erfahren durfte. Ich habe meine Fehler und die Schuld darin, durch die Scham erkannt.
Nur durch den Prozess der Scham habe ich gelernt, in der Schuld die Verantwortung zu sehen und sie als Wegweiser dessen, was wir einen inneren Makel nennen, liebevoll anzuerkennen.
Nach so vielen Jahren der meditativen Introspektion, kann ich heute sagen, dass ich nicht ohne Schuld bin, doch Schuld befreit leben kann. Es ist eine große Herausforderung, nicht in den Tiefen der Scham unterzugehen, sondern, das Leben mit dieser Erfahrung anzureichern, die Liebe darin zu entdecken und diese zu bewahren.
Bei allem, was mein Leben heute ausmacht, spielt diese Verantwortung eine existenzielle Rolle. Für mich geht es heute bei allem, was ich tue, um die Wahrhaftigkeit in meinen Entscheidungen. Sie sind stets abgestimmt auf das, was tatsächlich ist. Auf diese Weise lerne ich weiterhin, mit dieser Verantwortung zu leben. Es ist wie ein Versprechen, wie eine Ode an die Wahrhaftigkeit, die all unseren Seelen-Schmerz erträglich machen lässt,
sodass wir zeitweise völlig befreit von ihm sind. Auch wenn wir heute versuchen, durch psychologisches und neurologisches Wissen, das Leiden der Seele und des Körpers möglichst klein zu halten, ist und bleibt es am Ende aller Bemühungen, doch immer auch Leiden. Leiden an Zuversicht, Leiden an Wahrnehmung, Leiden an Verbundenheit, Leiden an Verlust, Leiden an Leiden…
Es ist demnach auch für uns als Gesellschaft unbedingt notwendig mit dem Gefühl der Scham in Kontakt zukommen. Einer Scham, die in eine erwachsene Form der Verantwortung führt. Eine Scham, die vor der Liebe steht. Der Liebe zu uns selbst, der Liebe zum anderen, der Liebe zum Leben. Diese Scham hat nichts mit dem Schuld-und-Sühne -Prinzip zu tun, das uns als strafendes und demütigendes Element bekannt ist.
Sondern vielmehr dient sie uns damit, durch sie erkennen zu können, wie blind wir für die Liebe sind. Denn eines ist gewiss, in diesem Fall macht uns die Liebe sehend… Und was hat das nun mit der Betrachtung des Lebens, vom Tod aus, zu tun?
Wir können erkennen, dass zu Leben auch immer kleine Tode bedeutet und vielleicht werden wir wach durch diese Betrachtung. Vielleicht können wir durch die uns mögliche Fähigkeit einer inneren Rückwärtsgewandtheit, unser Leben als einen Weg zur Befreiung von Leid erkennen, um so schon zu Lebzeiten, über das Leiden hinaus, Liebe und Leichtigkeit zu erfahren.
Dazu macht es Sinn sich vom Tod aus gesehen mit dem Leben zu verbinden, denn erst durch Wachheit oder einer wachen Anwesenheit, erfahren wir einen Raum jenseits von Schuld und Sühne, in dem dann eine Begegnung mit dem Augenblick stattfinden kann.
Und nur durch die Begegnung mit dem Augenblick und der Fähigkeit in ihm zu sein, wird unser Leben wahrhaftig. Ein kleines Experiment dazu: Sie brauchen sich nur in den Arm zu kneifen und schon sind Sie unmittelbar im JETZT. Doch meist erkennen wir das JETZT nicht, da wir weder Schmerz, Leid noch Hilflosigkeit, als das JETZT anerkennen. Doch zum und auch in das JETZT, gehört alles. Wahrhaftig alles. Nichts und niemand wird ausgeschlossen: und das ist radikal.
Um unser Leben als das JETZT verstehen zu können, ist die Überlegung zum Vorgang der Geburt, über die Maßen lohnenswert. Nicht nur, weil wir mit der Geburt, dieses Leben leben dürfen, sondern auch, weil wir in diese Gegenwart hineingeboren werden. Und in dem Augenblick, in dem wir das tatsächlich verstehen und diese Erschütterung, die das mit sich bringt, zulassen können, wissen wir schlagartig das ein Leben, aus dem der Tod verdrängt wird, kein wahrhaftiges Leben sein kann! Zumindest keines, das wir begeistert feiern und erkunden können. Einem solchen Leben fehlt nämlich der Zündstoff der Endlichkeit und das tiefe Verständnis dessen, welche Rolle wir darin spielen.
Eines ist uns allen doch glasklar … der Tod kommt ganz sicher auch dann, wenn wir ihn verdrängen. Dann tritt er halt durch die Hintertüre ein und bringt möglicherweise Zerstörung und schreckliche Vernichtung mit sich. Dass wir alle sterben müssen, ist eine unumstößliche Wahrheit, die es anzuerkennen gilt. Und auch, dass wir nicht wissen, wanndas sein wird und vielleicht ist das ja gerade eine wirklich gute Erfindung. Denn die Panik, die das auslösen würde, wüssten wir wann unser Ende naht, möchte ich mir nicht vorstellen. Also fassen wir zusammen: Wir werden sterben, Sie werden sterben, ich werde sterben und alle anderen werden auch sterben. Zumindest früher oder später. Undgroßteils wir werden alt und gebrechlich sein und wenn wir Glück haben, bleibt unser Verstand rege oder halt auch nicht und er verabschiedet sich im Nebel der Vergangenheiten.
Eines ist gewiss, für uns alle stellt der TOD, bewusst oder unbewusst, den Supergau dar. Alle mentalen Bemühungen und medizinische Anstrengungen das Leben zu verlängern, führen am Ende in die Sackgasse der Frustration und wir sind Opfer unseres Selbstverlustes, unserer tatsächlichen Identität und unseres universellen Wesens. Damit wir uns also den tatsächlich existenziellen Fragen zuwenden können, sollte es aus dieser Realität heraus, unbedingt die Liebe zum Leben sein, die unser Antrieb wird.
Alles woran wir glaubten, Weltanschauung, Vermögen, Religionszugehörigkeit, Nationalität und Bindungen, geht verloren. Nichts, gar nichts nehmen wir mit, weder den Zorn, noch die Wünsche, nicht die Hoffnungen, und was einmal greifbar, sichtbar und berührbar war. Alles wird von Würmern und Mikroben schnellstmöglich in Erde umgewandelt oder im Feuer zu Asche verbrannt. Auf jeden Fall sind Altern, Auslöschung und Verfall nüchterne Tatsachen, hingegen Glaube und Hoffnung immer nur das sind, was sie sind, eben Glaube und Hoffnung.
Und aus dieser letzten Hoffnung heraus, glauben wir dann an die Verlängerung des Lebens, oder an Wiedergeburten, an Paradies und Ewigkeit. Doch was nützt uns das? Wir können uns zwar von dem süßen Echo dieser Erzählungen berauschen und vernebeln lassen, doch unser Bewusstsein lässt Wunschdenken nicht zu. Wir werden diese in uns eingelassene Gewissheit nicht los, auch wenn die Geschichten die wir erzählen, noch so süß und verheißungsvoll sind. Tief innen wissen wir genau was der Tod ist und was er für
unser Leben bedeutet.
Nun können wir darüber resignieren und langsam in Selbstmitleid und Zynismus ertrinken, oder wir gehen dorthin, wo die Spannung am schmerzhaftesten ist und beginnen damit, uns neugierig den existenziellen Fragen zu stellen. Und zwar so, als wären sie niemals zuvor gestellt worden, als wären wir die ersten, die das tun würden.
Tatsächlich hält das Leben sehr viel mehr für uns bereit, als all die Vertröstungen durch den Glauben, den hoffnungsvollen Versprechungen auf – forever young – oder den vielfältigen und subtilen Wegen der Resignation. Doch um dieses MEHR zu entdecken, müssen wir unsere innere Perspektive grundsätzlich und ja sogar radikal, verändern.
Dieser Veränderungsprozess setzt ein, sobald wir anfangen den Tod in unsere Vorstellungen und Handlungen einzubeziehen und damit beginnen ihn stets direkt zu befragen, ob all unser Sinnen und Trachten für beide Seiten, Gültigkeit besitzen. Durch diesen inneren Vorgang beginnen wir uns einer größeren Ethik, einem Universellen zuzuwenden. Dass Bedarf zu Anfang ein klein wenig Mut, doch das Herz ist die Wiege unseres Mutes und auch die Wiege des Todes. Wir erkennen, dass unsere Entscheidungen stets getragen werden von der Liebe zum Leben und zu allem, was lebendig ist. Wir kommen mit diesem untrügliche Gefühl, dieser Wahrnehmung zu uns selbst, in der wir uns wieder-erkennen, in Kontakt. Und nur dieser Kontakt, besitzt als einzig wahrer Wegweiser, Gültigkeit. So machen wir uns auf den Weg zu diesem untrüglichem Gefühl und nur schon der Weg an sich, ist hier gleichzeitig auch das Ziel.
Nebenbei bemerkt glaube ich, dass dies die Aufgabe eines jeden Menschen ist. Es ist eine hochkomplexe und zu weilen auch sehr einsame Aufgabe. Dazu gehört auch immer mal wieder mit Gleichgesinnten zu meditieren, sich auszutauschen und feine Stunden zu verbringen. Das ist sehr unterstützend auf diesem Pfad. So können wir den Weg zum inneren Wachstum zwar zusammen gehen, doch jeder Einzelne geht in seinem inneren Tempo.
Es gibt zurzeit schon Strömungen die diesen Gedanken, den Tod ins Leben holen,
aufgreifen und in den meisten spirituellen Traditionen ist der Tod fest verankert. Doch können wir nicht allein durch die Kraft unseres Willens, oder der Vorstellungen und all den gedanklichen Konzepten, den Tod als zu uns zu-gehörig akzeptieren! Wer auf diese Weise mit dem Tod umzugehen versucht, macht das aus einer jugendlichen Perspektive. Aus der Sicht des Kindes hat der TOD keinen Schrecken, ihn gibt es dort ganz einfach nicht! Die Sichtweise des Jugendlichen, ist der Kampf, die Bezwingung des TODES. Die Intensität des Todes nimmt natürlich mit den Lebensjahren zu. Da ist die Strecke, die schon
abgelebt ist und die Strecke die vielleicht noch zu erwarten wäre. Doch das wissen wir nicht, aber das, was schon ge- und erlebt wurde, das wissen wir schon. Und je nach tatsächlichem Alter wird demnach die Lebensspanne geringer. Und aus diesem absehbaren und geringer werdenden entstammen alle bekannten Krisen in der Mitte des Lebens.
Wir haben es derzeit mit den Sichtweisen des Kindes- und des Jugendlichen-Bewusstseins zu tun. Im jugendlichen Bewusstsein geht einfach ALLES. Und mehr noch, alles noch besser. Der Jugendliche hinterfragt die Dinge. Er ist mit den einfachen – weil es eben so ist, Erklärungen, nicht zu befriedigen. Er stellt alles infrage und das immer wieder… Bis niemand mehr weiß, worum es eigentlich geht. So sind es keine Fragen nach den Dingen, es ist ein infrage stellen aller Dinge. Und das ist der Unterschied, zwischen lernen wollen und erfahren können. Das Kind, das noch nichts weiß, will alles wissen und sich die Welt erschließen. Der Jugendliche-Geist will seine Vorstellungen leben und setzt alles daran diese auch durch zusetzten. Wenn er lernt, dann nur um Macht zu gewinnen, um
mehr als andere zu besitzen. Ein Alleinstellungsmerkmal. Das kennen wir doch gut aus unserer jetzigen Gesellschaft, denn jeder sucht nach diesem Alleinstellungsmerkmal.
So kommen allerlei abstruse Gedanken und Vorstellungen auf den Jahrmarkt der Eitelkeiten und wir geben uns der irrwitzigen Idee hin, das wir kurzerhand dem Tod seinen Platz in unserem Leben gestatten. Welch ein Irrtum! Vielmehr ist er es doch, der Tod, der uns gestattet, dieses Leben zu leben. Doch der Trick des jugendlichen Denkens ist nicht schlecht, denn es vermeidet die realistische Tatsache, auf keinen Fall der Unterlegene zu sein. Hier findet der Kampf der Windmühlen statt, wie wir es in der Geschichte von „Don Quichotte“ nicht besser erfahren können. Der Knappe, der die Welt durchschaut und der Verblendete, der seinen fixen Ideen und Vorstellung konsequent folgt. In dieser wunderbaren Geschichte finden wir den törichten Narren und einen einfachen und durchweg realistischen Geist vor.
Beginnen wir also damit, wenn auch schweren Herzens, die unausweichliche Tatsache zuzulassen, das wir vom TOD abhängig sind. Diese kalte Tatsache in ihrer ganzen Wucht zulassen zu können, setzt den Mut zur Liebe voraus und führt uns in eine völlig andere innere Haltung, die uns genügsam werden lässt und jegliche Realitätsverfremdung entlarvt. Das Leben ist auf jeden Fall immer zu kurz für jemanden, der es liebt. Ab hier beginnt das erwachte, das sogenannte Geistes-Bewusste. In, oder sagen wir aus diesem Bewusstsein, kann es demnach nur darum gehen, tatsächlich zu erkennen, das der Tod bereits seinen Platz in unserem Leben hat. Also ihn, den TOD, als einen Teil unseres Lebens anzuerkennen, gerade so, wie Atmen, Essen und Schlafen. Erst ab hier ist ein geistig wahrhaftiger Mensch geboren in dem Liebe und Respekt, wie in einem Ehe-Bett, nebeneinander liegen. Sie sind das Lebenspärchen, aus dem die Ewigkeit entspringt und nur wenn wir den Tod respektieren, wird Lebendigkeit ein Teil von uns selber werden. Und zwar in uns und auch durch uns, auf keinen Fall aber mehr „außer uns“. Glauben Sie mir, der Tod hat seine süßen Seiten und vielleicht ist gerade er es ja, der die Süße des Lebens und die Leichtigkeit des Seins, in sich trägt. Und da ist doch die Vermutung groß, dass wir nach dem Lebensglück, an den falschen Orten suchen…
Ich auf jeden Fall wünsche Ihnen Mut, wenn sie sich mit Ihrem Leben beschäftigen möchten. Und bedenken Sie dabei, es ist das Einzige, das Sie haben. Ich danke Ihnen für das Zuhören oder lesen und freue mich, wenn ich in Ihnen Denkanstöße hinterlassen konnte.
Machen Sie es gut, und stauen Sie doch mal über alles, was ihnen begegnet…
COPYRIGHT
Marion Hötzel, ZENtrum-Mondsee 2020
(das Jahr in dem nichts mehr Bestand hatte)
Gerne können Sie aus diesem Gedankenfluss schöpfen, und schön, wenn Sie auf die Quelle hinweisen. Herzlichen Dank!