Weihnachten als Phänomen
Das Tor zum Bewusstsein, Beginn von geistigem Wachstum
In diesem Gedankenspiel soll es um das Wachstum von Bewusstsein gehen, das in dieser Betrachtung eng im Zusammenhang mit den 4 wichtigsten christlichen Festen steht. Und heute wollen wir nicht nur aus aktuellem Anlass mit Weihnachten beginnen, sondern auch, weil wir in Weihnachten den Beginn dieses Prozesses sehen.
Weihnachten als Phänomen
Überlieferungen
Schauen wir einmal tiefer hinein, in die uns christlichen Überlieferungen von Weihnachten, Ostern, Pfingsten und der weniger bekannten Manisola. Alle vier verkörpern die Bewusstseinsstufen, die ein Mensch durchschreiten kann, und stellen das Wachstum von Bewusstsein dar. Dabei fällt auf, dass es sich um eine sichtbar gewordene Verknüpfung der entscheidenden Seinsmerkmale handelt, die wir bewusst wahrnehmen können und uns somit vom tierischen Dasein unterscheiden. Wie geradezu magisch verbinden sich in allen Weihnachtstraditionen die existenziellen Aspekte, wie Liebe, Mitgefühl und Verbundenheit. In all dem, was Weihnachten für uns so wichtig erscheinen lässt, sind es eben diese Aspekte, die durch das Weihnachtsfest in den Mittelpunkt rücken, und so ein Ausdruck unserer Sehnsucht danach sind.
Sie sind es, die letztendlich das Tier in uns verwandeln und den Weg zu einem geistig gereiften Menschen freigeben. Vielleicht vom Objekt zum Subjekt. Auch können wir sagen, dass dieses Tier in uns dann anwesend ist, sobald wir unbewusst und ohne Mitgefühl sind. Das ist bis heute so und wir alle müssen dieser Tatsache zustimmen. Jeder hat schon erfahren, wie diese beiden Seiten in uns tätig werden können und welche Merkmale ihnen zu eigen sind. Nur durch Liebe und Mitgefühl erreichen wir einen Bewusstseinszustand, der uns zu einem gereiften Lebewesen macht, das in der Lage ist, sich mit dem gesamten Dasein zu verbinden und sich auch verantwortlich für dieses Ganze verantwortlich fühlen.
Ich meine damit die Fähigkeit, sich als vollständig und ganz wahrzunehmen und auch andere als vollständig und ganz erkennen zu können. Und diese tiefe Empfindung, diese Erkenntnis, ist ohne den Einschluss der gesamten Existenz unmöglich. Der Mensch kann sich selbst nur dann erkennen und fühlen, sobald er sich selbst als dieses lebendige Wesen empfindet, also sich entdeckt. Was auch bedeutet: von der inneren Ferne und der Fremde in uns, hin zu Selbstnähe und Selbstberührbarkeit.
Diese meist plötzlich eintretende Bewusstheit über die eigene Existenz führt in die Wahrhaftigkeit und in das Erkennen von Bewusstsein. Und nur über dieses „Sich-selbst-Erkennende, Eingebettetsein in der Ganzheit“ wird eine solch existenzielle Erfahrung erst möglich werden und hebt gleichzeitig alle Trennungsideen augenblicklich auf!
Wir werden grenzenlos oder auch die Grenzen los! Dies kann einerseits eine durchaus bedrohliche Empfindung von Haltlosigkeit hervorrufen, andererseits können wir uns auch als völlig frei und gehalten darin fühlen. So können eben auch Ängste diesen Weg erschweren, und doch muss er von jedem Einzelnen gegangen werden. Auf keinen Fall wird Wachstum gelingen, wenn wir versuchen, diesen Vorgang nur kraft unseres Verstandes zu verstehen. Vielmehr geht es darum, sich von dieser unumstößlichen Wahrheit treffen zu lassen, und das Verstehen, das Wissen und Erkennen darum sind zweitrangig. Im Übrigen glaube ich, dass wir alle diese Wahrheit suchen. Meist und sehr lange zwar an ungeeigneten Orten oder Stellen, aber immerhin: Wir suchen etwas und diese Suche treibt derzeit viele Menschen vor sich her.
Weihnachten als Wegweiser
So erkennen wir in der Weihnachtsgeschichte durchaus die Beschreibung des Weges, der der Beginn oder das Tor zum Wachstum von Bewusstsein ist. Und wenn wir von Weihnachten sprechen, dann sehen wir darin vor allem auch ein Symbol für die Geburt des Bewusstseins und somit die Geburt des Lichtes oder, besser ausgedrückt, der Bewusstheit von Bewusstsein. Also unserem Geist und dem Verstand mit seiner großartigen Fähigkeit zu logischen Verknüpfungen. Weihnachten ist somit für uns die Beschreibung des Beginns eines Transformationsprozesses und so leitet Weihnachten demnach durch die Geburt Jesu das Wachstum von Bewusstheit ein. Und je mehr Bewusstheit, desto mehr Bewusstsein. Und dieses Bewusstsein schließt alles ein und nichts aus! Alles, was wir erleben werden, Leidvolles und Freudvolles, Interessantes und Unbedeutendes, ALLES, wird nur wahrhaftig durch Bewusstheit und so werden wir ein Teil von Allem.
Es sind in der christlichen Überlieferung vier Transformationssymbole, Stufen oder Schritte, die wir als Menschen durchlaufen. So beschäftigen wir uns neben Weihnachten im späteren Verlauf noch mit weiteren Symbolen, die sich in Ostern und Pfingsten zeigen. Und zum guten Schluss dann mit dem vierten Aspekt, der Manisola, die für das übergeordnete und universelle Symbol steht.
Die Stufen der geistigen Transformation sind überliefertes Gut in allen Meditations- und Religionstraditionen und eines müssen wir wissen: All diese überlieferten Erkenntnisse sind bis heute in unserer Wahrnehmung oder Epigenetik gespeichert. Das heißt: Wir werden mit ihnen, aus dem Unbewussten kommend, konfrontiert und sie fordern die Reichweite unseres Verstandes heraus. Sie bringen ihn sozusagen an die Grenzen seiner Möglichkeiten.
Die Gegenwart
Derzeit erfahren sich die Menschen überfordert und stehen dem Bewusstseinswandel meist hilflos gegenüber. Sie wissen nicht was in ihrem Verstand geschieht und identifizieren sich mit allem, was ihnen im Außen oder Innern begegnet. Sie sind nicht in der Lage, die einzelnen Bewusstseinsebenen in sich wahrzunehmen, und das führt letzten Endes zu einer tiefgreifenden Verunsicherung.
Von daher ist es unbedingt notwendig, dass wir unsere logische und realistische Seite gezielt stärken. Wir müssen durch Anders-Denken unseren Verstand zum Umdenken bringen. Erst durch diese Gegenbewegung können wir das JETZT erkennen und werden augenblicklich von der Wolke der Besonderheiten des Egos, mit seinen vielen merkwürdigen Wahnvorstellungen, wie zum Beispiel Erleuchtungsfantasien und Ähnlichem, befreit.
Kommen wir nochmal zurück zu den vier Aspekten der Transformation und deren Verbindung mit den vier überlieferten Festlichkeiten.
Ihre Analogien ziehen sich auch über die Himmelsrichtungen und Jahreszeiten. Diese sind in unserem Alltagsbewusstsein eng mit unserer Wahrnehmung verbunden: Winter, Frühling, Sommer, Herbst sowie Norden, Osten, Süden, Westen.
Wie haben wir doch einst gelernt:
- Im Osten geht die Sonne auf und hier steht sie in der winterlichen Sonnenwende. Sie steht für die Geburt von Bewusstsein und dem Beginn der Transformation
- Im Süden nimmt sie ihren Lauf und sie steigt im Frühling hinauf bis zum Zenit. Der Mensch sucht nach Wahrheit und dem Sinn des Lebens.
- Im Westen wird sie untergehen und steht somit lange am Sommerhimmel. Sie zeigt den langen Weg der Erkenntnis an, der mit dem Erkennen des SELBST endet.
- Im Norden ist sie nie zu sehen und steht für den Herbst.
- Der Herbst unseres Lebens mit der Bewegung von außen nach innen und der Integration des schöpferischen SELBST in einem selbstbestimmten Sein. Das Bewusstsein beginnt, sich in sich selbst zurückzuziehen.
Die drei uns prägungsgeschichtlich gut bekannten Festlichkeiten spielen zwar in der jetzigen Gesellschaft fast keine spirituelle Rolle mehr, doch da sie freie Tage verheißen, ist man durchaus bereit, an dieser Tradition festzuhalten. Und unbewusst oder auch instinktiv, folgen wir dann doch den existenziellen Bewusstseinsaspekten.
So sprechen wir also von Weihnachten, Ostern, Pfingsten und nur vereinzelt von der eher doch unbekannten Manisola, auf die wir in Teil vier eingehen werden. Wie ich schon erwähnte, repräsentieren alle vier überlieferten Festlichkeiten auch die vier Stufen oder Ebenen der Bewusstwerdung, die im Grunde auch das Wesen der Meditation darstellen und eine Individuation des menschlichen Seins nach sich zieht. Durch die Praxis der Meditation, wird ein mitfühlendes und selbstbestimmtes Wesen entstehen können. Der so individuierte Menschen ist in selbst gefestigt und sein Geist hat sich spirituell gewandelt.
Ganz aktuell scheinen wir uns tatsächlich in einem Bewusstseinswandel zu befinden und dieser Transformationsschritt geschieht mit uns, ob der Einzelne dem zustimmt oder auch nicht. Diese Vorgänge gab es schon immer und der Mensch hat sich dadurch stets weiterentwickelt. Ein Blick zurück zeigt uns ganz deutlich, wie in der Vergangenheit evolutionäre Schritte eingeleitet und vollzogen wurden. Auch wenn wir in der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins durchaus auch sehr dunkle Kapitel durchschreiten mussten, sind wir offensichtlich doch menschlicher geworden.
Werfen wir nochmals einen vertieften Blick auf Weihnachten
Weihnachten steht demnach für den Beginn der Transformation. Das Tor der Entfaltung. Nämlich, Sie erinnern sich, der Entfaltung der in uns verankerten SEINS-Merkmale mit der Sehnsucht nach Liebe, Verbindung und Friedfertigkeit. Dargestellt wird dies also durch die Geburt des Kindes und die gleichzeitige Verfolgung des Guten durch das Böse. Beide Aspekte, das Gute wie das Böse, dienen unserer inneren Wahrnehmung von Unsicherheit und Sicherheit und der daraus entstehenden Anspannung oder Entspannung. Die Entspannung, aus der wir überhaupt erst bewusst leben können, nennen wir ab hier Kohärenz. Und tatsächlich streben wir ständig nach dieser Kohärenz, also nach Entspannung und Ausgleich. In der Anspannung sind wir mit dem Überlebenstrieb in uns verbunden, der im Kampfmodus verankert ist. Es ist von daher sehr sinnvoll, sich möglichst oft in einem kohärenten Zustand zu befinden, da diese geistige Entspannung die Grundvoraussetzung für jede neue Bewusstseinserfahrung oder jeden Transformationsprozess ist.
Dieser Bewusstseins-Wandel findet in der Tiefe und im Dunklen statt und so scheint die Sonnenwende zur Winterzeit genau der passende Zeitraum für diesen Prozess zu sein. Kurze Tage, lange Nächte, Raunächte und ein durchweg mystisch Dunkles sind die Begleiter auf dem nun beginnenden Weg nach innen. Der Weg führt uns durch ein gänzlich unbekanntes Terrain und Weihnachten, das Licht, die Strahlen der Sterne und die Geburt Jesu stehen für den Beginn des Transformationsprozesses. Nach der langen Zeit in der Dunkelheit und aus dem Nichts heraus wird das Bewusstsein in Form eines Menschen geboren und inkarniert. Ein lebendig gewordener Teil des Bewusstseins ist das Ergebnis der Verwandlung von Materie zu Substanz, zu einem menschlichen Wesen.
Mit der Geburt Jesu hat die Transformation begonnen und sie vollzieht sich in ihrem eigenen Tempo weiter. Der Charakter des Herodes spielt an Weihnachten die zentrale Rolle. König Herodes weist auf einen durchaus erwachten und neuen Ich-Bewusstseinszustand hin, der hier das Ego-Bewusste verkörpert. Er gerät durch die Ankündigung der Geburt eines neuen Königs in Bedrängnis. Die Begrenztheit des Egos wird sichtbar und findet ihren Ausdruck durch Tyrannei, Gewalt, Machtgehabe und Unterwerfungs-Szenarien.
Dieser doch schon sehr besondere Ego-Bewusstseinszustand hat den Menschen aus dem gleichmachenden Gruppendasein befreit und in die Lage versetzt, das volle Potenzial seines Egos zu erkennen und dies auch auszuschöpfen. Er ist fast Gott gleich und sonnt sich in seinem neurotisch individuellen Spiegel. Zudem ist er an die Grenze dessen gestoßen, was er von seinem egozentrischen Standpunkt aus tun kann, und der Zusammenbruch naht. Er wird seiner selbst überdrüssig und steht kurz davor, verrückt zu werden. Alle möglichen Formen geistiger Eigenarten und Merkwürdigkeiten werden entwickelt. Von Neurosen bis hin zu Psychosen und weitere Erkrankungen des Verstandes nehmen zu.
So kündigt sich langsam ein weiterer Wendepunkt oder Wachstumsschritt an, der zudem unbewusst fast schon sehnlichst erwartet wird. Sobald dann „König EGO“ diesen Zusammenbruch anerkennt, erwacht etwas komplett Neues und fundamental Anderes. Doch zuvor entsteht Druck und erst mit der Entladung wird das neue Bewusstsein sichtbar werden. So wie das Samenkorn in der Wintererde darauf wartet, sich entfalten zu können, wartet auch das Bewusstsein darauf, sich zu entfalten, und im übertragenen Sinne bedeutet dies, dass das Samenkorn des göttlichen Prinzips erst jetzt, mit der Geburt der neuen Bewusstseinsstufe, im menschlichen Herzen aktiv werden kann. Und dieses aktive Herz ist die Grundvoraussetzung für weitere Bewusstseinsschritte
Wie schon erwähnt, benötigt dieser Vorgang Druck und genau das geschieht gerade in unserer Gesellschaft. Das neue Bewusstsein ist fundamental anders. Alles, was bisher Erfüllung brachte, wird schal. Der betroffene Mensch sucht nach Antworten auf die plötzlich aufkommenden und durchweg existenziellen Fragen. Er wird zum Sucher: ein Sucher nach der wahren Bedeutung des Lebens.
Dimesionen
Unser Leben hat eine sehr persönliche und eine universelle Dimension. Genau diesen Tatsachen müssen wir gerecht werden, wollen wir in unserem Menschsein reifen. Sie sind zwei Realitäten, die uns wirksam sind. Und wenn wir ehrlich sind, wissen wir das auch. Nur haben wir etwas daraus gemacht, das wir kontrollieren können, und es Werte, Ethik oder Gewissen genannt. Zumindest etwas, auf das wir uns ausrichten können. Doch aus dem einseitigen Ego-Bewusstsein wird keine weitere Bewusstseins-Entwicklung entstehen können, da ihm durch seine ständigen ICH-Spiegelungen der Zugang zur spirituell-universellen Ebene ganz einfach fehlt, und das gilt es zu akzeptieren. Diese unveränderbare Tatsache ist für den Ego-Verstand unerträglich. Ab hier beginnt nun die Suche nach Neu-Orientierung. Der Mensch wird zum Sinnsuchenden und seine spirituelle Reise beginnt. Er sieht sich mehr und mehr als universelles Lebewesen und sehnt sich nach Individuation.
Aus der Sichtweise der Meditation und des Bewusstseins haben wir es demnach mit zwei existenziellen Lebensebenen zu tun und genau diese beiden Ebenen sehen wir auch deutlich in der Weihnachtsgeschichte umschrieben. Die grausame böse Seite, die durch den Herodes und sein Wirken dargestellt wird, und die universelle spirituelle Seite. Sie wird durch die Flucht der hochschwangeren Maria, die Zuflucht im Stall von Bethlehem und die Geburt Jesu dargestellt.
In diesem Bild ist alles enthalten: von der Liebe und dem Aufgehobensein in der friedvollen Umgebung, inmitten der Engel und der guten Könige, die als Schutz für das Leben stehen. Doch um ein glückliches und friedvolles Leben führen zu können, müssen wir diesen beiden Ebenen bewusste Räume in uns geben und dafür sorgen, dass sie in Balance, also kohärent, in uns sind. Das heißt, dass das persönliche wie das universelle Leben einen lebendigen Ausdruck in allen persönlichen und gesellschaftlichen Handlungen erfährt. Also sichtbar und lebendig wird … Wir haben schon einen Ausdruck dafür: die SELBST-Wirksamkeit. Nur dass in diesem Falle nicht das ICH, also die Ego-Person, gemeint ist, wie aktuell so schön propagiert wird, sondern es sich um das SELBST handelt. Dieses SELBST ist der Schöpfergeist des Lebens und die universelle Kraft in uns. Von hier aus handeln wir wie ein Zauberlehrling. Wir dienen dieser Kraft und sie ist uns dienlich.
Zuvor muß all unser Denken und all unsere Handlungen auf eine universelle Ebene führen. Früher war dieses universell GOTT! Für viele wird es sicher auch wieder ein Gott werden können, doch ein Gott, wie wir ihn früher kannten, sicher nicht. Doch ein universelles Ganzes, das für eine Weltengemeinschaft steht, hat ganz gute Chancen, angenommen zu werden.
Ich freue mich auf jeden Fall schon auf Sie, wenn unsere Betrachtung im zweiten Teil, an Ostern, dann ihre Fortsetzung findet und wir uns hier wieder begegnen. Und zum guten Schluss möchte ich noch an das Prinzip vom Geben und Nehmen erinnern. Denn gerade an Weihnachten wird doch das Ritual des Schenkens und Beschenktwerdens in ganz besonderer Weise gepflegt.
So wünschen wir Ihnen schöne Weihnachten, mit vielen Geschenken und Geschichten.
Und ein gutes neues Jahr, das wünschen wir Ihnen auch!
Möglicherweise werden Sie ja mit dem Suchen beginnen …
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Marion Hötzel, ZENtrum-Mondsee 2025
Gerne können Sie aus diesem Gedankenfluss schöpfen, und schön, wenn Sie auf die Quelle hinweisen. Herzlichen Dank!